Derzeit kommt im Tanelorn mal wieder eine Diskussion hoch, in der es um Willkür, Abwägbarkeit und Sicherheit am Spieltisch geht. Wie so oft in letzter Zeit, verschiebt sich die Diskussionslinie recht schnell auf die „Frontlinie“ zwischen Erzählspielern und Simulationisten (wobei ich dieses Wort hier nicht im Sinne des Tri-fold oder Big Models nutze). Oder, um im Duktus des jeweiligen Feindbilds zu bleiben, Erzählonkel und Hartwurstler.
Abgesehen davon, dass mich diese Art der Diskussion und Lagerbildung stört, stehe ich relativ deutlich auf der Seite der Erzählspieler. Mich nervt genaues Ressourcenzählen, das Auswürfeln jeder Kleinigkeit und Miniatureneinsatz im Rollenspiel will mir auch nicht recht gefallen. Aber ich gönne es jedem, der diese Spielinhalte wünscht, damit glücklich zu werden. Soweit mein Standpunkt, von dem aus ich die folgenden Überlegungen anstelle.
Was mich in besagten Diskussionen immer wieder anspringt, sind bestimmte Aussagen, die aus dem Lager der Simulationsspieler kommen. Meistens sind es Sätze wie:
- „Wenn der Spielleiter nicht würfeln lässt/würfelt, ist das Willkür.“
- „Eine Entscheidung ohne die zugrunde liegenden Regeln zu nutzen, ist Bescheissen.“
Der Tenor scheint dabei fast immer dieser zu sein: Der Spielleiter muss sich zu jeder Zeit an ein festes Regelgerüst halten, sonst haben seine Spieler dadurch Nachteile.
Da stellt sich mir die Frage nach den Gruppenkonstellationen, die hinter solchen Aussagen stehen. Für mich ist Rollenspiel ein Hobby, das ich hauptsächlich mit Freunden ausübe. Lassen wir Spezialfälle wie One-shots auf Cons einfach mal aus der Betrachtung raus, dann gilt doch für die heimische Runde eigentlich immer, dass ich meine Mitspieler kenne. Auch verbringe ich meine Zeit gerne mit ihnen, denn wer setzt sich jede Woche mit einer Gruppe Leute an einen Tisch, die er nicht leiden kann?
Hier kommt das Vertrauen am Tisch ins Spiel. Nehmen wir als gegeben an, dass alle Spieler am Tisch befreundet sind und sich mehr oder weniger gut kennen. Nach einer gewissen Zeit kann man auch davon ausgehen, dass man die jeweiligen Ideen und Einstellungen zum Rollenspiel kennt. Warum ist es scheinbar so schwer, in einer solchen Konstellation einen Vertrauensvorschuss zu gewähren?
Ich gehe zum Beispiel in jeder meiner Runden davon aus, dass jeder Mitspieler sein Bestes zum Erlebnis beitragen möchte. Das gilt insbesondere auch für den Spielleiter. Wenn der Spielleiter mir eine Entscheidung präsentiert, gehe ich davon aus, dass er dafür Gründe hat. Natürlich müssen diese Entscheidungen im Rahmen des Gruppenvertrags bleiben. Aber auch hier gilt der Vertrauensvorschuss.
Selbstverständlich spielt hier auch die Art der Entscheidung eine Rolle. Wenn der Spielleiter ständig gegen die Gruppe entscheidet, ist dieses Vertrauen schnell verspielt. Da er aber nicht gegen die Gruppe spielt, sind das hoffentlich Ausnahmen.
Woher kommt diese Haltung, dass der Spielleiter alle Entscheidungen hundertprozentig transparent und regeltreu treffen muss? Ich kann keine klare Antwort geben, spekuliere aber auf Probleme im Vertrauensverhältnis am Tisch. Wenn man schon Kategorien wie „Schummeln“ oder gar „Bescheissen“ heran zieht, kann die Spielsituation nicht optimal sein.
Aber vielleicht bin ich nur nicht in der Lage, den hinter der Argumentation stehenden Spielstil zu durchschauen.
Addendum:
Nach Falks Kommentar bin ich der Meinung, mein Hauptanliegen vielleicht zu schwammig ausgedrückt zu haben. Deshalb zur Klarifizierung:
Es geht mir explizit nicht um die Umsetzung der Regeln als ganzes. Ich sage nicht, das Würfeln ganz sein gelassen werden soll oder detaillierte Regeln unnütz sind. Da wäre ich auch der letzte! Ich würfle gerne und ich habe auch Spaß an taktischen Optionen, die mir manche Regelwerke bieten.
Mir geht es um Abkürzungen, die im Gruppenkonsens genommen werden. In der verlinkten Diskussion wird folgendes Beispiel genannt:
"Ihr braucht ca. zwei Wochen bis zur Fanta-Oase und kommt halb verdurstet dort an - zieht sich jeder mal die Hälfte seiner Hitpoints ab." [Nach kurzer Ausführung kommt die Aussage:] "Das ist IMMER BESCHISS."
Genau da greifen für mich Gruppenkonsens und das ausgeführte Grundvertrauen. Wenn der Konsens ist, dass nicht jeder Tag der Reise ausgewürfelt werden muss, ist eben dieses Grundvertrauen nötig, um die Ansage des Spielleiters hinzunehmen.
Ich hoffe, das macht deutlicher, worauf ich hinaus wollte.
Addendum:
Nach Falks Kommentar bin ich der Meinung, mein Hauptanliegen vielleicht zu schwammig ausgedrückt zu haben. Deshalb zur Klarifizierung:
Es geht mir explizit nicht um die Umsetzung der Regeln als ganzes. Ich sage nicht, das Würfeln ganz sein gelassen werden soll oder detaillierte Regeln unnütz sind. Da wäre ich auch der letzte! Ich würfle gerne und ich habe auch Spaß an taktischen Optionen, die mir manche Regelwerke bieten.
Mir geht es um Abkürzungen, die im Gruppenkonsens genommen werden. In der verlinkten Diskussion wird folgendes Beispiel genannt:
"Ihr braucht ca. zwei Wochen bis zur Fanta-Oase und kommt halb verdurstet dort an - zieht sich jeder mal die Hälfte seiner Hitpoints ab." [Nach kurzer Ausführung kommt die Aussage:] "Das ist IMMER BESCHISS."
Genau da greifen für mich Gruppenkonsens und das ausgeführte Grundvertrauen. Wenn der Konsens ist, dass nicht jeder Tag der Reise ausgewürfelt werden muss, ist eben dieses Grundvertrauen nötig, um die Ansage des Spielleiters hinzunehmen.
Ich hoffe, das macht deutlicher, worauf ich hinaus wollte.