Freitag, 10. September 2010

Vertrauen am Spieltisch

Derzeit kommt im Tanelorn mal wieder eine Diskussion hoch, in der es um Willkür, Abwägbarkeit und Sicherheit am Spieltisch geht. Wie so oft in letzter Zeit, verschiebt sich die Diskussionslinie recht schnell auf die „Frontlinie“ zwischen Erzählspielern und Simulationisten (wobei ich dieses Wort hier nicht im Sinne des Tri-fold oder Big Models nutze). Oder, um im Duktus des jeweiligen Feindbilds zu bleiben, Erzählonkel und Hartwurstler.

Abgesehen davon, dass mich diese Art der Diskussion und Lagerbildung stört, stehe ich relativ deutlich auf der Seite der Erzählspieler. Mich nervt genaues Ressourcenzählen, das Auswürfeln jeder Kleinigkeit und Miniatureneinsatz im Rollenspiel will mir auch nicht recht gefallen. Aber ich gönne es jedem, der diese Spielinhalte wünscht, damit glücklich zu werden. Soweit mein Standpunkt, von dem aus ich die folgenden Überlegungen anstelle.

Was mich in besagten Diskussionen immer wieder anspringt, sind bestimmte Aussagen, die aus dem Lager der Simulationsspieler kommen. Meistens sind es Sätze wie:
  • „Wenn der Spielleiter nicht würfeln lässt/würfelt, ist das Willkür.“
  • „Eine Entscheidung ohne die zugrunde liegenden Regeln zu nutzen, ist Bescheissen.“
Der Tenor scheint dabei fast immer dieser zu sein: Der Spielleiter muss sich zu jeder Zeit an ein festes Regelgerüst halten, sonst haben seine Spieler dadurch Nachteile.

Da stellt sich mir die Frage nach den Gruppenkonstellationen, die hinter solchen Aussagen stehen. Für mich ist Rollenspiel ein Hobby, das ich hauptsächlich mit Freunden ausübe. Lassen wir Spezialfälle wie One-shots auf Cons einfach mal aus der Betrachtung raus, dann gilt doch für die heimische Runde eigentlich immer, dass ich meine Mitspieler kenne. Auch verbringe ich meine Zeit gerne mit ihnen, denn wer setzt sich jede Woche mit einer Gruppe Leute an einen Tisch, die er nicht leiden kann?

Hier kommt das Vertrauen am Tisch ins Spiel. Nehmen wir als gegeben an, dass alle Spieler am Tisch befreundet sind und sich mehr oder weniger gut kennen. Nach einer gewissen Zeit kann man auch davon ausgehen, dass man die jeweiligen Ideen und Einstellungen zum Rollenspiel kennt. Warum ist es scheinbar so schwer, in einer solchen Konstellation einen Vertrauensvorschuss zu gewähren?

Ich gehe zum Beispiel in jeder meiner Runden davon aus, dass jeder Mitspieler sein Bestes zum Erlebnis beitragen möchte. Das gilt insbesondere auch für den Spielleiter. Wenn der Spielleiter mir eine Entscheidung präsentiert, gehe ich davon aus, dass er dafür Gründe hat. Natürlich müssen diese Entscheidungen im Rahmen des Gruppenvertrags bleiben. Aber auch hier gilt der Vertrauensvorschuss.

Selbstverständlich spielt hier auch die Art der Entscheidung eine Rolle. Wenn der Spielleiter ständig gegen die Gruppe entscheidet, ist dieses Vertrauen schnell verspielt. Da er aber nicht gegen die Gruppe spielt, sind das hoffentlich Ausnahmen.

Woher kommt diese Haltung, dass der Spielleiter alle Entscheidungen hundertprozentig transparent und regeltreu treffen muss? Ich kann keine klare Antwort geben, spekuliere aber auf Probleme im Vertrauensverhältnis am Tisch. Wenn man schon Kategorien wie „Schummeln“ oder gar „Bescheissen“ heran zieht, kann die Spielsituation nicht optimal sein.

Aber vielleicht bin ich nur nicht in der Lage, den hinter der Argumentation stehenden Spielstil zu durchschauen.

Addendum:
Nach Falks Kommentar bin ich der Meinung, mein Hauptanliegen vielleicht zu schwammig ausgedrückt zu haben. Deshalb zur Klarifizierung:

Es geht mir explizit nicht um die Umsetzung der Regeln als ganzes. Ich sage nicht, das Würfeln ganz sein gelassen werden soll oder detaillierte Regeln unnütz sind. Da wäre ich auch der letzte! Ich würfle gerne und ich habe auch Spaß an taktischen Optionen, die mir manche Regelwerke bieten.

Mir geht es um Abkürzungen, die im Gruppenkonsens genommen werden. In der verlinkten Diskussion wird folgendes Beispiel genannt:

"Ihr braucht ca. zwei Wochen bis zur Fanta-Oase und kommt halb verdurstet dort an - zieht sich jeder mal die Hälfte seiner Hitpoints ab." [Nach kurzer Ausführung kommt die Aussage:] "Das ist IMMER BESCHISS."

Genau da greifen für mich Gruppenkonsens und das ausgeführte Grundvertrauen. Wenn der Konsens ist, dass nicht jeder Tag der Reise ausgewürfelt werden muss, ist eben dieses Grundvertrauen nötig, um die Ansage des Spielleiters hinzunehmen.

Ich hoffe, das macht deutlicher, worauf ich hinaus wollte.

Frisches Blut - Nachtrag

Einen Tag nach der DSA-Runde mit unserem Neueinsteiger habe ich Mo im Kino getroffen. Er kam grinsend auf mich zu und verkündete mir, dass er sich drei W20, sechs W6, einen Würfelbeutel und einen Würfelbecher gekauft habe. Seitdem habe ich auch mehrere Nachrichten von ihm bekommen, ob wir die Runde nicht früher weiter spielen können.

Ich würde sagen, wir haben einen neuen Rollenspieler gewonnen.

Freitag, 3. September 2010

Frisches Blut

Letzten Mittwoch fiel meine geplante SIFRP-Sitzung leider kurzfristig aus. Ich schlug vor, kurzfristig auf Fiasco auszuweichen, da ich von diesem Spiel nach dem Tanelorn-Sommertreffen sehr angetan bin. Doch Dominik, einer meiner Mitspieler, schlug spontan vor, einen Kumpel aus unserer Hockey-Mannschaft einzuladen und ihm „mal Rollenspiel zu zeigen“.

Zugegeben, ich war anfangs skeptisch. Ich hatte nichts vorbereitet. Der neue Spieler brachte auch das Problem mit, dass wir nur ein deutsches Regelwerk nutzen konnten, da ihn Englisch abgeschreckt hätte. Nur steht in meinem Rollenspiel-Schrank kaum etwas in deutscher Sprache...

Dominik schlug Vampire und Shadowrun vor, wovon ich nicht wirklich zu begeistern war. Space Gothic und Pendragon fand er zu Speziell für einen Anfänger. Was blieb also? Das Schwarze Auge. Nach einigem Hin und Her einigten wir uns also auf DSA und ich machte mich an die Vorbereitungen. Dabei merkte ich einerseits, dass ich noch nie DSA geleitet hatte. Andererseits machte es mir Spaß, mein Aventurien in ein Abenteuer einfließen zu lassen. Beizeiten werde ich das Abenteuer einmal verschriftlichen und hier vorstellen.

Aber darum geht es nicht. Der vereinbarte Zeitpunkt kam und mit ihm meine Mitspieler. Dominik und Andreas kannten DSA, Moritz (ab hier nur Mo) war ein kompletter Neuling im Rollenspiel. Also erklärten wir ihm die Grundlagen, ein paar Details über Aventurien und begannen mit der Charaktererschaffung. Zum Glück ist DSA3 in der Charaktererschaffung relativ geradlinig. Vierzig Minuten später hatten wir drei fertige Charaktere:
  • Ein Rondra-Geweihter (Andreas)
  • Ein andergaster Kampfmagier (Dominik)
  • Einen Jäger (Mo)

Wir legten los und ich beschrieb der Gruppe die Ankunft in dem kleinen Dorf Sichelgrund in Ostweiden.

Kaum waren wir im Spiel, traf mich der Enthusiasmus von Mo. Er hing an meinen Worten, stellte Fragen und nahm alle Informationen begierig auf. Ich denke, er hat auch den Rest der Runde angesteckt, denn die Stimmung am Tisch war schnell dicht und einfach nur schön. Wir spielten konzentriert und trotzdem locker.

Auch war es ein Gewinn, dass Mo die Konventionen des Spiels (oder eher: unseres Spiels) nicht kannte. Mit vollkommener Selbstverständlichkeit improvisierte er Umgebungsdetails in seine Beschreibungen. Seine Pläne waren erfrischend, seine Ideen meist gut und seine Begeisterung, wenn etwas klappte wie geplant, fast greifbar.

Was möchte ich damit sagen? Diese Sitzung war seit langer Zeit das erste Mal, dass ich einen kompletten Neueinsteiger ins Rollenspiel eingeführt habe. Jede Minute hat sich gelohnt. Ich habe einen Blick auf die Begeisterung werfen können, die mich damals antrieb. Bevor man alles schon mal gesehen oder probiert hatte. Es war eine Bereicherung für alle am Tisch.

Ich werde in Zukunft versuchen, öfter mit Nachwuchsspielern zu spielen.

Wir spielen auf jeden Fall demnächst das Abenteuer mit Mo zuende.

Das Rollenspiel und ich

Da ist also mein erster Blogeintrag. Ich werde mal sehen, wohin mich das führt. Derzeit plane ich, einmal die Woche etwas zu posten. Halte ich das durch? Das wird sich zeigen.

Auf jeden Fall halte ich es für sinnvoll, dem geneigten Leser in meinem ersten Post etwas über meinen Werdegang, rollenspielerisch gesehen, mit auf den Weg zu geben. Einfach, um meinen Gedanken und Aussagen etwas Kontext zu verleihen.

Meine ersten Erfahrungen mit Rollenspielen waren die Abenteuer-Spielbücher. Die „Analand-Saga“, „Die Masken von Mayhem“ und „Sumpf der Skorpione“ befinden sich immer noch in meinem Regal. „Einsamer Wolf“ habe ich nur kurz angespielt. Denn kurz nach meiner Entdeckung der Spielbücher brachte mich ein Schulfreund auf Rollenspiele. Das war in der siebten Klasse und damit 1992.

Die MERS-Box wurde zu meiner Einstiegsdroge. Bald wechselten wir zu Rolemaster. Unsere kleine Dreierrunde spielte so oft es nur ging, was damals zwei oder drei Tage die Woche hieß. Wir begingen jeden Anfängerfehler, den man mit 13 Jahren nur begehen kann (und wahrscheinlich noch ein paar mehr), aber wir hatten unseren Spaß. Mit meinen beiden Mitspielern und hier und da angesammelten Gelegenheitsspielern probierten wir auch Shadowrun und Vampire aus.

Auf der allerersten Hannover spielt! lernte ich Runequest kennen und vorerst lieben. Mit einem Klassenkameraden kaufte ich mir Grundbuch und diverses Zusatzmaterial und gründete meine erste eigene Runde. Die Mitspieler waren ebenfalls Klassenkameraden, die wohl eher mitspielten, weil irgendwie alle Kumpels dabei waren. Nicht selten gab es Reibereien, einmal sogar handfesten Streit. Trotzdem blieb die Runde nahezu Lückenlos, wenn auch mit wechselnder Besetzung, bis zum Ende der Sekundarstufe I bestehen.

Irgendwann wechselte ich dann zu einer Star Wars-Runde, damals noch nach dem W6-System von West End Games. Über Hannover spielt! sammelten sich langsam mehr und mehr Systeme in meinem Schrank an. Aber die Mitspieler fehlten einfach. Meine Ursprungrunde hielt sich nicht so lange und meine Runde aus Gelegenheitsspielern befriedigte mich nicht mehr so richtig. Zum Glück lernte ich in etwa zu dieser Zeit die Menschen kennen, mit denen ich den Einstieg ins Larp finden sollte (und die größtenteils bis heute mit mir larpen). Diverse One-shots hielten mich über Wasser, bis schließlich zu Beginn meines Studiums meine erste wirklich regelmäßige Runde entstand.

Ein paar Freunde und ich taten uns zusammen, um einmal die Woche zu spielen. Kleinster gemeinsamer Nenner war DSA, was von da an enthusiastisch gespielt wurde. Die Runde dauerte nahezu drei Jahre, auch wenn mir dabei etwas fehlte. Ich wechselte meine Charaktere so oft, das sie etwas beliebig wurden. Unser Spielleiter machte einen guten Job, aber ich würde heute nicht davon sprechen, das wir eine Kampagne gespielt hätten. Es waren viele unzusammenhängende Abenteuer, in denen die Charaktere und ihre Streitereien die einzige Konstante waren.

Der Punkt, an dem sich mein derzeitiger Spielstil zu formen begann, lag kurz vor Ende der DSA-Runde. Mit einer anderen Runde stieg ich in eine Star Wars-Kampagne ein, diesmal nach dem D20-System. Hier waren die Charaktere auf einmal wichtig. Hintergründe, Bekanntschaften, Ziele, alles spielte eine Rolle. Mein Jedi-Schüler und seine Schwester in der imperialen Flotte, die Herkunft unseres Söldners, alles vermischte sich zu einem großen ganzen das ich immer noch in guter Erinnerung habe.

Irgendwann zu dieser Zeit entdeckte ich auch das Tanelorn-Forum, damals noch das GroFaFo, für mich. Damit begann eine wirkliche Entwicklungsphase. Ich entdeckte Rollenspieltheorie, Indie-Spiele und allgemein viel gebündeltes Wissen rund ums Rollenspiel. Mein erstes Indie-Spiel war dann Dogs in the Vineyard, das ich auf Hannover spielt! antesten konnte (InSpectres besaß ich zu dem Zeitpunkt schon, aber hatte es nie als Indie gesehen).

Zeitgleich zerfiel die DSA-Runde. Ich setzte die Runde mit einer Pendragon-Kampagne fort, die ich leider unter „Totalfehlschlag“ verbuchen muss. Meine Pläne waren zu hochtrabend und zu schlecht geplant. Das eine oder andere Highlight gab es, aber letztlich war es für alle besser, als wir damit aufhörten. Trotzdem mag ich den Charme des Systems immer noch, auch wenn es heute etwas altbacken wirkt. Ein perfektes Beispiel für gelungene Genre-Umsetzung.

Momentan leite ich selber zwei Kampagnen. Eine ist eine 7th Sea-Kampagne, die ich seit mittlerweile fast zwei Jahren leite und die aus der Star-Wars-Runde entstanden ist. In dieser Kampagne versuche ich alles, was mich am Kampagnenspiel begeistert, umzusetzen. Die Kampagne ist auf die Charaktere, ihre Wünsche und Hintergründe zentriert. Da Genre ist die Leitlinie und soziale Interaktion und Konflikte sind genauso wichtig wie blitzende Degen. Bis jetzt ist die Kampagne erfolgreich und die Kritik meiner Mitspieler hilft, mich immer weiter zu verbessern.

Seit zwei Monaten leite ich eine Song of Ice and Fire-Kampagne nach dem System von Green Ronin. Da die Spielfrequenz monatlich ist, ist noch nicht so viel geschehen. Aber hier versuche ich mich an einem offenen Setting mit Hintergrundhandlunge, die von den Spielern rezipiert und beeinflusst werden können, aber auch ohne sie statt finden. Ich bin auf das Ergebnis gespannt.

Inzwischen ist mein Kreis an Mitspielern auch deutlich gewachsen. Mit den Hannoveranern aus dem Tanelorn und diversen Freunden spiele und teste ich diverse Systeme. Da Tanelorn bleibt weiter mein hauptsächlicher Bezugspunkt, was die Erweiterung meines Horizonts angeht. Man sagt mir mittlerweile nach, ein guter Spielleiter zu sein, wobei ich selbst noch jede Menge Möglichkeiten zur Verbesserung sehe.

Zusammenfassen kann man meinen Stil wohl so: Ich mag „heldige“ Systeme, in denen die Charaktere etwas „reißen“ können. Da bin ich auch ein wenig Powergamer. Man gebe mir ein System mit ordentlichem Crunch, dann kann ich loslegen. Aber mein Hauptaugenmerk sind Drama und Charakterzentrierung. Ich möchte Helden in der Geschichte, keine Wasserträger, die den NSC die Drecksarbeit abnehmen. Mantel-und-Degen sowie Space Opera ziehe ich der Standard-Fantasy jederzeit vor. Obskure Settings, die mich ansprechen und begeistern sind dafür verantwortlich, dass mein Rollenspielregal überläuft. Hellas, anyone?

So, jetzt wisst ihr, wo ich stehe und wie ich da hin gekommen bin. Wohin es noch geht, wird sich zeigen. Momentan interessiere ich mich für französische Rollenspiele und möchte unbedingt mal eine Hellas-Kampagne spielen. Auch Fate ist für mich gerade sehr faszinierend. Mal sehen.