Ich
larpe seit November 1997, also dieses Jahr genau seit 15 Jahren. Mit
dem Hobby verbinden mich viele Erinnerungen, Erlebnisse und
Freundschaften. Aber seit etwa einem halben Jahr ist irgendwie die
Luft raus.
In
den letzten Jahren war ich schon nicht oft auf Cons. Meine Hochzeit
war während des Zivildienstes, also 1999/2000, während dessen ich
16 oder 17 Veranstaltungen besucht habe. Seitdem sind es immer
weniger geworden, bis ich zwischen 2008 und 2009 ein Jahr pausiert
habe. Damals hat mir das gut getan, ich bin engagiert zurück
gekommen. Aber mehr als zwei oder drei Cons im Jahr sind es seitdem
trotzdem nicht geworden.
Dieses
Jahr war für mich komplett larpfrei. Das „Avarische Ritterlager“
im Sommer musste ich absagen, weil meine mündliche Examensprüfung
mit dem Termin kollidierte. Den zweiten Con, „Graue Lande“ im
Oktober, habe ich abgesagt, weil ich einerseits zu viele Termine an
den Wochenenden hatte, die mir wichtiger waren. Andererseits hatte
ich aber auch schlicht keine Lust darauf.
Ich
analysiere meine Einstellung zum Larp jetzt seit längerer Zeit. Aber
ich habe immer noch kein Ergebnis gefunden, mit dem ich zufrieden
bin. Wo hakt es?
Sicherlich
liegt es mit daran, dass die Erfahrungen sich geändert haben. Wenn
ich meinen ersten Abenteuercon objektiv Revue passieren lasse, war
das Standardware, die in Teilen nicht einmal gut umgesetzt war.
Trotzdem erinnere ich mich sehr gerne daran zurück, weil alles noch
neu und aufregend war. Das dieses Gefühl nach 15 Jahren nicht mehr
zu reproduzieren ist, ist mir klar.
Aber
auch ohne diesen Anspruch schaffen es die meisten Cons nicht mehr,
mich mitzureißen. Ich war nie ein großer Plotspieler, aber seit
langer Zeit gehe ich Plots komplett aus dem Weg. Dadurch wird ein Con
aber auch zu einem Grillwochenende mit Freunden, zu dem man sich
komisch anzieht. Dafür muss ich nicht X Kilometer fahren und einen
Conbeitrag plus Fahrtkosten und Verpflegung ausgeben.
Der
dritte Punkt sind meine eigenen Ansprüche. Ich habe mich im Verlauf
meiner Larpzeit in eine Richtung entwickelt, in der ich Minimalismus
nicht mehr so richtig vertrage. Natürlich habe ich anfangs auch ein
einfaches Hemd mit Lederhose und Wappenrock getragen. Aber solche
Kostüme stören mich inzwischen. Ich habe recht früh damit
angefangen, meine Kleidung selbst zu nähen und erwarte von meinen
Mitspielern, das sie sich ebenfalls mühe in der Darstellung geben.
Larp ist eben ein visuelles Hobby.
Diese
Ansprüche grenzen mich allerdings auch ein. Inzwischen reagiere ich
gelassener auf die Ausstattung anderer Spieler, oder versuche es
jedenfalls. Aber die Art Spiel, die mir Spaß macht, und das so
aussieht, dass ich mich nicht ärgere, finde ich nur auf wenigen
Veranstaltungen. Meistens muss man dafür lange Wege in Kauf nehmen.
Und am Ende sitzt man doch wieder nur mit der eigenen Gruppe im
Lager.
Eine
Möglichkeit, dieses Verhalten zu durchbrechen, wäre ein neuer
Charakter, der mein eingefahrenes Spiel durchbricht. Statt historisch
mit wenig bis keiner Fantasy, mal wieder ein reiner Abenteurer, mit
dem ich Magie, Plots und Weltuntergängen nicht aus dem Weg gehen
muss. Aber ich bin eigentlich nicht bereit, für ein neues Konzept
meine Ansprüche an mein Kostüm zu verringern.
Und
da sind wir bei Punkt 4, Kosten und Verhältnismäßigkeit. Ich habe
in den letzten Wochen einen neuen Charakter geplant. Aber recht
schnell war klar, dass ich allein für das Kostüm ca. 200 Euro
allein für den Stoff ausgeben müsste. Da reden wir noch gar nicht
von Kurzwaren wie Garn und so weiter, was erfahrungsgemäß auch
immer ein ordentlicher Kostenpunkt ist. Ganz zu schweigen von anderer
Ausrüstung, wie Schuhen und Waffen. Auch wenn ich die Ausrüstung
zunächst improvisieren könnte, wäre mein Anspruch doch,
mittelfristig alles passend beisammen zu haben.
Aber
die Kosten stehen gefühlt in keinem Verhältnis zu meiner Aktivität.
Angenommen, ich fahre auf drei Cons im Jahr. Davon fahre ich sicher
mindestens auf zwei mit meiner Gruppe und meinem aktuellen Charakter,
einfach der Leute wegen. Bleibt ein Con im Jahr für den neuen
Charakter, zwei, wenn ich ganz große Lust bekomme.
Diese
Verhältnismäßigkeit steht auch anderen Projekten im Weg. Mein
Rittercharakter braucht neue Kleidung, eigentlich auch endlich eine
passende Rüstung. Mein Hauptcharakter, ein spätmittelalterlicher
Söldner, könnte auch die eine oder andere Überarbeitung
gebrauchen. Obwohl es mir sehr viel Spaß macht, zu planen, zu
basteln und zu nähen, scheue ich Kosten und Aufwand.
Organisation und
Spielleitung
Ich
bin Orga und Hintergrundschreiber unserer Larpgruppe. Wir
organisieren Veranstaltungen und schreiben den Hintergrund immer
weiter, damit unser „Land“ plausibel wirkt. Diese beiden Apspekte
haben mich bisher immer sehr begeistert.
Die
Organisation kann, je nach Planung und notwendigem Aufwand, richtig
viel Zeit verschlingen. Aber bisher hat es sich immer gelohnt, wenn
man die zufriedenen, oder sogar begeisterten, Spieler am Sonntag nach
Hause fahren sieht. Geschichten in Gang zu setzen, zu sehen, was die
Spieler daraus machen, und dazu ein möglichst dichtes Ambiente zu
schaffen, dafür bin ich gerne SL.
Der
Hintergrund unseres Landes ist größtenteils mein „Baby“.
Beinahe der komplette verschriftliche Kanon ist von mir geschrieben
worden. Natürlich sind auch viele Ideen und Anregungen andere
Spieler eingeflossen, aber gefühlt ist das „meins“. Nach der
investierten Zeit und Arbeit fällt es mir natürlich schwer, das
zurück zu lassen. Vor allem, da ich noch viele Ideen habe, was noch
in den Hintergrund gehört.
Allerdings
steh nächstes Jahr für uns als Landesorga ein großer Schritt an.
Nachdem wir personell umstrukturiert haben, soll 2013 ein Verein
gegründet werden, um rechtliche und finanzielle Risiken bei der
Veranstaltungsorganisation zu verringern. Ein logischer und
sinnvoller Schritt. Aber sobald die Vereinsgründung durch ist, fiele
mir ein Ausstieg noch schwerer. Und eigentlich fällt es mir schwer,
mich in ein Projekt einzubringen, von dem ich nicht weiß, wie lange
ich dabei bleibe.
Soziales
Natürlich
hängen am Larp auch viele Freundschaften. Zu vielen sehr netten
Menschen habe ich nur Kontakt, weil wir das Hobby teilen. Diverse
Bekannte sehe ich nur auf unseren Veranstaltungen.
Aber
die Menschen, die mir wichtig sind, werde ich auch weiterhin sehen.
Man ist ja nicht plötzlich aus der Welt, nur weil man nicht mehr das
gleiche Hobby hat.
Spielarten
Einer
der wichtigsten Gründe, warum mich Larp derzeit nicht reizt, ist das
„normale“ Rollenspiel. Die Möglichkeiten und der Aufwand sind am
Tisch ganz andere, ganz zu schweigen von der möglichen Abwechslung.
Während
man im Larp eben immer an das Machbare gebunden ist, sind die
Möglichkeiten am Tisch grenzenlos. Mit viel Aufwand kann ein Larp
ein nahezu perfektes Ambiente erschaffen, aber irgend etwas bleibt
von der Realität abseits des Spiels immer erhalten. Ich will hier
jetzt gar nicht von Immersion reden, aber ein gewisser Grad
Suspension of disbelieve bleibt eben nötig. Und vieles ist im Larp
überhaupt unmöglich. Sich auf Drachen reitend in riesige Schlachten
zu stürzen, Gefechte zwischen Sternenschiffen, aber auch so mundane
Dinge wie eine Verfolgungsjagd mit Autos in einer Großstadt.
Im
Rollenspiel kann ich alles tun und erreichen, ohne das sich der
Aufwand signifikant verändert. Ein Regelbuch kaufen und lesen, dass
Abenteuer vorbereiten und Freund einladen. Fertig. Mehr braucht es
nicht, ganz im Gegensatz zum Larp. Wenn ich will, kann ich jede
Woche, jeden Tag, etwas neues spielen und ausprobieren, ohne das sich
der Aufwand verändert.
Im
Larp bin ich wesentlich unflexibler. Ohne Kostüm kein neues Setting
oder Genre. Dazu brauche ich einen Veranstalter, der mir das
anbietet, was ich gerade spielen möchte, oder ich muss das
Gewünschte selbst als Orga umsetzen. Das bedeutet aber lange
Vorlaufzeiten, höhere Kosten und mangelnde Flexibilität. Und auch
wenn alles zusammen passt, beschränkt mich das Medium.
Ja,
ich bin am Tisch glücklicher. Mit den Spielern einer
Rollenspielrunde ist es wesentlich leichter, sich auf einen Spielstil
zu einigen, der allen zusagt, als mit den 20 bis 150 Teilnehmern
eines Larps. Allein das wertet mein Spielerlebnis signifikant auf.
Was bleibt also?
Am
Larp stört mich derzeit alles, was abseits des Spiels passiert. Ich
mag mich nicht um Anmeldungen und Planungen kümmern, ich möchte
mich nicht mit langfristigen Organisationsfragen beschäftigen, und
die Kosten stehen für mich in keinem Verhältnis zum tatsächlichen
nutzen. Und wenn ich mir dieses Zwischenfazit ansehe, scheint die
offensichtliche Konsequenz zu sein, dass ich aufhöre zu larpen.
Auf
der anderen Seite stehen aber die nicht-logischen, emotionalen
Gründe. Ich fühle mich verantwortlich für die Organisation unserer
Gruppe und des Hintergrunds. Es gibt unzählige wunderbare
Erinnerungen, die ich an das Erlebte habe, und auf deren Wiederholung
ich hoffe. Nicht zuletzt verbinden mich viele Freundschaften mit dem
Hobby.
Deswegen
tue ich mich mit der Entscheidung sehr schwer. Wenn ich aufhöre,
mache ich einen harten Schnitt, und verkaufe den Großteil meiner
Ausrüstung. Aber damit brenne ich auch Brücken hinter mir ab, denn
falls ich doch wieder Lust habe, ist die Einstiegshürde natürlich
größer.
Hier
stehe ich nun und weiß nicht weiter...
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