Eigentlich wollte ich diesen Blog nicht
für Reviews nutzen. Aber von zeit zu Zeit kommt doch ein Spiel
daher, das einer Besprechung würdig scheint. Und dieses Spiel ist es
definitiv:
Forsooth!
Being a Roleplaying Game of
Shakespearean Proportions by Sam Liberty and Kevin Spak
Ich habe angefangen, das Regelbuch zu
lesen, und es erst weggelegt, als ich fertig war. Die Konzepte hinter
dem Spiel haben mich einfach begeistert. Und wenn jetzt alles wie
geplant läuft, werde ich es auch in zwei Wochen testspielen können.
Aber worum geht es überhaupt? In
Forsooth! spielt man gemeinsam ein Shakespeare-Stück, oder vielmehr
ein Stück, das Shakespeare geschrieben haben könnte. Im Kern ist
Forsooth! Ein Story Game. Es gibt keinen Spielleiter, keine Würfel,
alles basiert auf gemeinsamer Erzählung, die einigen festen Regeln
folgt.
Fangen wir am Anfang an:
Physisch kommt das Regelwerk als
Softcover im Format 6" x 9" mit 88 Seiten daher. Das Cover
ist schlicht, aber passend zum Inhalt gestaltet. Der Text ist
größtenteils zweispaltig gesetzt, es gibt nur wenige
Illustrationen. Die vorhandenen Bilder sind freie Grafiken.
Herausgegeben wird das Spiel von Spoiled Flush Games.
Die Kapitel (oder, wie sie hier genannt
werden, Akte) teilen sich wie folgt auf: Im Prolog gibt es nach dem
Vorwort eine kurze Zusammenfassung, was man in den folgenden Kapiteln
findet. Die Akte 1 bis 3 enthalten alle Regeln für das Spiel auf
insgesamt 16 Seiten. Akt 4 Gibt Hinweise zum Improvisationsspiel, Akt
5 enthält optionale Regeln für ein Kampagnenspiel, Akt 6 optionale
Regeln für das „Cliff Notes“-Spiel, falls man nur 1-2 Stunden
Spielzeit zur Verfügung hat. Im Epilog sind alle Tabellen
zusammengefasst (alle fünf), die Charakterbögen, der Index und ein
Quick Reference Sheet.
Act I – On Making Character and
Preparing to Play
Als erstes erschafft man zusammen das
Stück und die wichtigsten Charaktere. Für das Stück sucht man sich
als erstes zwei Themes aus. Das kann man entweder frei tun, oder sich
nach einer Tabelle richten, bzw. auf der Tabelle würfeln. Themes
könnten z.B. Deception, Greed oder Passion sein, aber auch Alls's
Fair in Love and War.
Danach braucht man ein Setting. Dies
setzt sich aus drei Einzelteilen zusammen: A Place, A Feature, Where
in the World. Auch hier kann man frei wählen oder eine Tabelle zu
Rate ziehen. Am Ende steht z.B. A Castle, near a Moor, in Scotland,
oder A City, near a Lake, in Illyria. Einfach und simpel und lenkt
die Themen schon in Bezug zum späteren Stück. Wobei man sich vom
Setting nicht einengen lassen soll – Wie italienisch ist denn Romeo
und Julia?
Weiter geht es mit Charakteren. Je nach
Spielerzahl hat jeder Spieler ein bis drei Charaktere. Bei einer
durchschnittlichen Gruppengröße von vier bis fünf Spielern hat
jeder Spieler zwei Charaktere, davon ist einer ein Protagonist.
Jeder Charakter besteht aus seiner
Nature (z.B. Boastfuk Thinker, knavish Tyrant), seiner Motivation
(z.B. To ruin the man who ruined me) und einem Oath (z.B. I will
alwalys respect ther wishes of my lady love). Oath und Motivation
sollten möglichst so gewählt werden, das sie sich im Widerspruch
befinden. Bei den gewählten Beispielen könnte also der Mann, der
unseren Charakter ruiniert hat, der Bruder seiner Geliebten sein.
Wird er im laufe des Stückes seinen Schwur brechen, um Rache zu
üben?
Alle Charaktere werden Reihum
erschaffen, so das sie auch miteinander verbunden sind und
Ansatzpunkte für Konflikte bestehen. Sobald alle Charaktere
erschaffen wurden, werden von ihrem Spieler Fate-Werte zugeteilt. Der
Charakter mit dem höchsten Fate-Wert (normalerweise 3) ist der
Protagonist dieses Spielers.
The stage is set, wie man so schön
sagt, es kann losgehen.
Act II – On performing your Play
Reihum werden jetzt Szenen geframed.
Der Spieler, der die Szene beginnt, ist der Barde für diese Szene.
Er entscheidet, wo die Szene spielt und wer anfangs darin mitspielt.
Außerdem bestimmt der Barde den Ausgang sämtlicher Konflikte, falls
ein Schiedsspruch gebraucht wird.
Eine Szene dauert so lange an, wie
Charaktere auf der Bühne stehen. Jeder Charakter kann die Bühne
verlassen oder betreten, was über einfach Anweisungen geregelt wird.
„Romeo auf“, „König Heinrich ab“, ihr versteht das Prinzip.
Allerdings darf jeder Spieler nur einen Charakter in der Szene haben.
Sollte die Szene ins Stocken kommen,
gibt es mehrere Möglichkeiten. Ein Spieler kann von außen einwerfen
„Eine Glocke läutet“, was in etwa heißt: Genug jetzt, nächste
Szene. Jemand kann einen Boten auftauchen lassen, dessen Nachricht
das Geschehen in eine neue Richtung lenkt.
Weiß ein Spieler nichts mehr zu sagen,
darf er „Text“ sagen. Daraufhin darf jeder am Tisch ihm eine
Zeile Text vorgeben. Der Fragende muss die Zeile nehmen, die als
erstes gesagt wurde.
Jeder Charakter hat außerdem einen
Monolog und eine Bemerkung, die einmal während des Stücks
eingesetzt werden kann. Mit dem Monolog können drei Dinge bewirkt
werden. Foreshadowing, wodurch man den Tod eines Charakters
vorhersagen kann. Advance a Theme, um eins der Themen näher zu
beleuchten. „Romeo, Romeo, wherefore art thou Romeo?“ - Genau.
Drittens kann man die eigene Motivation oder den Schwur ändern.
Bemerkungen sind kurze Einschübe, die
das Publikum hört, aber nicht die anderen Charaktere. Mit der
Bemerkung kann geheime Informationen ins Spiel bringen, bereits
etablierte Fakten ändern, oder die nächste Szene framen.
Charaktere können auf zwei Arten
sterben. Wurde ein Charaktertod in einem Monolog vorhergesagt, gilt
dieser Charakter als Foreshadow'd und darf von jedem anderen
Charakter getötet werden, ohne das der Spieler etwas dagegen tun
kann. Ergibt sich der Mord aus einer Szene, ohne das Foreshadowing
eine Rolle spielt, darf der betroffene Spieler entscheiden, ob sein
Charakter stirbt, verletzt wird, oder ob er seinerseits den Angreifer
umbringt, wodurch beide Charaktere sterben.
Ein toter Charakter bekommt sofort
außer der reihe eine Todesszene. Der Charakter ist allerdings nicht
automatisch aus dem Spiel genommen. Er kann als Geist zurück kehren.
Hamlets Vater, anyone?
Act III – On Earning Applause and
Winning the Game
Ja, richtig gelesen. Man kann Forsooth!
Gewinnen.
Dazu wir Applaus vergeben. Nach jeder
Szene muss jeder Spieler Applaus verteilen. Der Applaus geht an einen
Charakter, der in der Szene war und nicht dem vergebenden Spieler
gehört. Bei der Vergabe muss begründet werden, warum man diesem
Charakter applaudiert – Direktes positives Feedback.
Zusätzlich hat jeder Spieler eine
bestimmte Zahl Applaus-Chips, die er jederzeit vergeben kann. Durch
bestimmte Handlungen, z.B. das auftauchen lassen eines Boten, kann
man neue Applaus-Chips gewinnen.
Das Stück endet, wenn alle
Protagonisten entweder tot oder verheiratet sind. Danach wird Applaus
gezählt, wobei vorher noch einmal „Verbeugungs_Applaus“ verteilt
wird. Jeder Spileer erhält so viele Applaus-Chips, wie er Charaktere
hat, die ihre Motivation nicht erfüllen konnten, plus eins.
Am Ende gibt es zwei Gewinner: Ein
Charakter, der True ist, also seinen Oath nicht gebrochen hat, und
einen Forsworn. Sollten beide Gewinner-Charaktere dem gleichen
Spieler gehören, erhält der Spieler standing ovations.
Act IV – Help for Aspiring Actors
Ein unglaublich nützliches Kapitel.
Eine kurze Einführung in Prinzipien des Improvisationstheaters soll
helfen, Forsooth! besser zu spielen. Und die Tipps sind wirklich gut.
Im wesentlichen ist es eine genaue Beschreibung der „Ja,
und...“-Regel, aber so gelungen, dass ich dieses Kapitel jedem ans
Herz lege, der sich öfter mit Story Games beschäftigt.
Außerdem enthält es den guten Hinweis
„Be bold!“, um das Spiel voran zu treiben.
You can say "Yes, and“ all day long and still wind up with a really dull conversation about the freaking moon.
Die zweite Hälfte des Kapitels besteht
aus einem Glossar elisabethanischer Begriffe, das zwar tolle Worte
wie Coxcomb, Kickshaws und Skimble-skamble enthält, für den
deutschsprachigen Spieler aber nicht unbedingt notwendig ist.
Act V – Cycle Rules, or: Campaign
Rules by any other Name
Ich halte mich hier kurz: Die
Kampagnenregeln sind funktional, aber die Autoren weisen selbst
darauf hin, das Forsooth! Ein Spiel für One Shots ist. Es sind
einige gute Ideen enthalten, wie man eine Kampagne über mehrere
Stücke spielen kann, aber:
Who can forget classics like Antony and Cleopatra, Henry the Sixth part two and three, and Hamlet II: The Rest is Murder?
Genau.
Cliff Notes – A Faster Way to Play
Cliff Notes Play ist die Spielvariante,
in der man ein Stück in ein oder zwei Stunden spielt. Auch hier
scheinen die regeln funktional: Im wesentlichen hat jeder Spieler
einen Charakter weniger, jeder framed nur eine Szene, und zwischen
den Szenen wird erzählt, was sonst passiert. Dazu gibt es ein paar
Beispielstücke, die derart abgekürzte Handlungen vorstellen.
Diese Spielart hat mich, ehrlich
gesagt, überhaupt nicht angesprochen. Aber ich habe für mein
Rollenspiel auch lieber mehr Zeit und käme wohl gar nicht auf den
Gedanken, in zwei Stunden mal nebenher Rollenspiel zu spielen. Also:
Geschmackssache. Das Prinzip scheint aber zu funktionieren und ich
kann mir vorstellen, dass man damit Spaß haben kann.
Auf den Epilog gehe ich jetzt nicht im
Detail ein. Wie einfgabs geschrieben, es gibt alle Tabellen
zusammengefasst (alle fünf), die Charakterbögen für alle drei Spielvarianten, der Index und ein
Quick Reference Sheet.QRS und Charakterbögen gibt es übrigens auch
auf der Herstellerseite zum Download.
Fazit
Ich bin sehr angetan. Das Regelwerk ist
locker geschrieben und gut strukturiert, so das schon das Lesen Spaß
macht.
Natürlich enthält das Spiel keine
Crunchy Bits. Im Wesentlichen sind nur Regeln enthalten, um die
gemeinsame Erzählung in eine bestimmte Richtung zu lenken. Diese
wenigen Regeln sind allerding gut durchdacht und greifen ineinander.
Mit Spielern, die sich auf die Prämisse eines Shakespeare-Dramas
einlassen, kann damit großes Kino passieren.
Natürlich kann ich noch nicht sagen,
wie es sich letztlich spielt. Aber wie gesagt, das wird sich
hoffentlich in zwei Wochen klären. Bis dahin empfehle ich das Spiel
jedem, der Story Games mit viel Drama und viel Freiheit mag. Wer
klassisches Rollenspiel mit Würfeln und Monstern anhängt, sollte
dagegen um Forsooth! einen großen Bogen machen.
Aber ich bin nun mal eine Drama Queen,
und jeder, der das ebenfalls von sich sagt, ist bei Forsooth!
richtig.