Mittwoch, 12. September 2012

[Review] Forsooth! - Shakespearean Roleplaying

Eigentlich wollte ich diesen Blog nicht für Reviews nutzen. Aber von zeit zu Zeit kommt doch ein Spiel daher, das einer Besprechung würdig scheint. Und dieses Spiel ist es definitiv:

Forsooth!
Being a Roleplaying Game of Shakespearean Proportions by Sam Liberty and Kevin Spak

Ich habe angefangen, das Regelbuch zu lesen, und es erst weggelegt, als ich fertig war. Die Konzepte hinter dem Spiel haben mich einfach begeistert. Und wenn jetzt alles wie geplant läuft, werde ich es auch in zwei Wochen testspielen können.

Aber worum geht es überhaupt? In Forsooth! spielt man gemeinsam ein Shakespeare-Stück, oder vielmehr ein Stück, das Shakespeare geschrieben haben könnte. Im Kern ist Forsooth! Ein Story Game. Es gibt keinen Spielleiter, keine Würfel, alles basiert auf gemeinsamer Erzählung, die einigen festen Regeln folgt.

Fangen wir am Anfang an:

Physisch kommt das Regelwerk als Softcover im Format 6" x 9" mit 88 Seiten daher. Das Cover ist schlicht, aber passend zum Inhalt gestaltet. Der Text ist größtenteils zweispaltig gesetzt, es gibt nur wenige Illustrationen. Die vorhandenen Bilder sind freie Grafiken. Herausgegeben wird das Spiel von Spoiled Flush Games.

Die Kapitel (oder, wie sie hier genannt werden, Akte) teilen sich wie folgt auf: Im Prolog gibt es nach dem Vorwort eine kurze Zusammenfassung, was man in den folgenden Kapiteln findet. Die Akte 1 bis 3 enthalten alle Regeln für das Spiel auf insgesamt 16 Seiten. Akt 4 Gibt Hinweise zum Improvisationsspiel, Akt 5 enthält optionale Regeln für ein Kampagnenspiel, Akt 6 optionale Regeln für das „Cliff Notes“-Spiel, falls man nur 1-2 Stunden Spielzeit zur Verfügung hat. Im Epilog sind alle Tabellen zusammengefasst (alle fünf), die Charakterbögen, der Index und ein Quick Reference Sheet.

Act I – On Making Character and Preparing to Play

Als erstes erschafft man zusammen das Stück und die wichtigsten Charaktere. Für das Stück sucht man sich als erstes zwei Themes aus. Das kann man entweder frei tun, oder sich nach einer Tabelle richten, bzw. auf der Tabelle würfeln. Themes könnten z.B. Deception, Greed oder Passion sein, aber auch Alls's Fair in Love and War.

Danach braucht man ein Setting. Dies setzt sich aus drei Einzelteilen zusammen: A Place, A Feature, Where in the World. Auch hier kann man frei wählen oder eine Tabelle zu Rate ziehen. Am Ende steht z.B. A Castle, near a Moor, in Scotland, oder A City, near a Lake, in Illyria. Einfach und simpel und lenkt die Themen schon in Bezug zum späteren Stück. Wobei man sich vom Setting nicht einengen lassen soll – Wie italienisch ist denn Romeo und Julia?

Weiter geht es mit Charakteren. Je nach Spielerzahl hat jeder Spieler ein bis drei Charaktere. Bei einer durchschnittlichen Gruppengröße von vier bis fünf Spielern hat jeder Spieler zwei Charaktere, davon ist einer ein Protagonist.

Jeder Charakter besteht aus seiner Nature (z.B. Boastfuk Thinker, knavish Tyrant), seiner Motivation (z.B. To ruin the man who ruined me) und einem Oath (z.B. I will alwalys respect ther wishes of my lady love). Oath und Motivation sollten möglichst so gewählt werden, das sie sich im Widerspruch befinden. Bei den gewählten Beispielen könnte also der Mann, der unseren Charakter ruiniert hat, der Bruder seiner Geliebten sein. Wird er im laufe des Stückes seinen Schwur brechen, um Rache zu üben?

Alle Charaktere werden Reihum erschaffen, so das sie auch miteinander verbunden sind und Ansatzpunkte für Konflikte bestehen. Sobald alle Charaktere erschaffen wurden, werden von ihrem Spieler Fate-Werte zugeteilt. Der Charakter mit dem höchsten Fate-Wert (normalerweise 3) ist der Protagonist dieses Spielers.

The stage is set, wie man so schön sagt, es kann losgehen.

Act II – On performing your Play

Reihum werden jetzt Szenen geframed. Der Spieler, der die Szene beginnt, ist der Barde für diese Szene. Er entscheidet, wo die Szene spielt und wer anfangs darin mitspielt. Außerdem bestimmt der Barde den Ausgang sämtlicher Konflikte, falls ein Schiedsspruch gebraucht wird.

Eine Szene dauert so lange an, wie Charaktere auf der Bühne stehen. Jeder Charakter kann die Bühne verlassen oder betreten, was über einfach Anweisungen geregelt wird. „Romeo auf“, „König Heinrich ab“, ihr versteht das Prinzip. Allerdings darf jeder Spieler nur einen Charakter in der Szene haben.

Sollte die Szene ins Stocken kommen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Ein Spieler kann von außen einwerfen „Eine Glocke läutet“, was in etwa heißt: Genug jetzt, nächste Szene. Jemand kann einen Boten auftauchen lassen, dessen Nachricht das Geschehen in eine neue Richtung lenkt.

Weiß ein Spieler nichts mehr zu sagen, darf er „Text“ sagen. Daraufhin darf jeder am Tisch ihm eine Zeile Text vorgeben. Der Fragende muss die Zeile nehmen, die als erstes gesagt wurde.

Jeder Charakter hat außerdem einen Monolog und eine Bemerkung, die einmal während des Stücks eingesetzt werden kann. Mit dem Monolog können drei Dinge bewirkt werden. Foreshadowing, wodurch man den Tod eines Charakters vorhersagen kann. Advance a Theme, um eins der Themen näher zu beleuchten. „Romeo, Romeo, wherefore art thou Romeo?“ - Genau. Drittens kann man die eigene Motivation oder den Schwur ändern.

Bemerkungen sind kurze Einschübe, die das Publikum hört, aber nicht die anderen Charaktere. Mit der Bemerkung kann geheime Informationen ins Spiel bringen, bereits etablierte Fakten ändern, oder die nächste Szene framen.

Charaktere können auf zwei Arten sterben. Wurde ein Charaktertod in einem Monolog vorhergesagt, gilt dieser Charakter als Foreshadow'd und darf von jedem anderen Charakter getötet werden, ohne das der Spieler etwas dagegen tun kann. Ergibt sich der Mord aus einer Szene, ohne das Foreshadowing eine Rolle spielt, darf der betroffene Spieler entscheiden, ob sein Charakter stirbt, verletzt wird, oder ob er seinerseits den Angreifer umbringt, wodurch beide Charaktere sterben.

Ein toter Charakter bekommt sofort außer der reihe eine Todesszene. Der Charakter ist allerdings nicht automatisch aus dem Spiel genommen. Er kann als Geist zurück kehren. Hamlets Vater, anyone?

Act III – On Earning Applause and Winning the Game

Ja, richtig gelesen. Man kann Forsooth! Gewinnen.

Dazu wir Applaus vergeben. Nach jeder Szene muss jeder Spieler Applaus verteilen. Der Applaus geht an einen Charakter, der in der Szene war und nicht dem vergebenden Spieler gehört. Bei der Vergabe muss begründet werden, warum man diesem Charakter applaudiert – Direktes positives Feedback.

Zusätzlich hat jeder Spieler eine bestimmte Zahl Applaus-Chips, die er jederzeit vergeben kann. Durch bestimmte Handlungen, z.B. das auftauchen lassen eines Boten, kann man neue Applaus-Chips gewinnen.

Das Stück endet, wenn alle Protagonisten entweder tot oder verheiratet sind. Danach wird Applaus gezählt, wobei vorher noch einmal „Verbeugungs_Applaus“ verteilt wird. Jeder Spileer erhält so viele Applaus-Chips, wie er Charaktere hat, die ihre Motivation nicht erfüllen konnten, plus eins.

Am Ende gibt es zwei Gewinner: Ein Charakter, der True ist, also seinen Oath nicht gebrochen hat, und einen Forsworn. Sollten beide Gewinner-Charaktere dem gleichen Spieler gehören, erhält der Spieler standing ovations.

Act IV – Help for Aspiring Actors

Ein unglaublich nützliches Kapitel. Eine kurze Einführung in Prinzipien des Improvisationstheaters soll helfen, Forsooth! besser zu spielen. Und die Tipps sind wirklich gut. Im wesentlichen ist es eine genaue Beschreibung der „Ja, und...“-Regel, aber so gelungen, dass ich dieses Kapitel jedem ans Herz lege, der sich öfter mit Story Games beschäftigt.

Außerdem enthält es den guten Hinweis „Be bold!“, um das Spiel voran zu treiben.

You can say "Yes, and“ all day long and still wind up with a really dull conversation about the freaking moon.

Die zweite Hälfte des Kapitels besteht aus einem Glossar elisabethanischer Begriffe, das zwar tolle Worte wie Coxcomb, Kickshaws und Skimble-skamble enthält, für den deutschsprachigen Spieler aber nicht unbedingt notwendig ist.

Act V – Cycle Rules, or: Campaign Rules by any other Name

Ich halte mich hier kurz: Die Kampagnenregeln sind funktional, aber die Autoren weisen selbst darauf hin, das Forsooth! Ein Spiel für One Shots ist. Es sind einige gute Ideen enthalten, wie man eine Kampagne über mehrere Stücke spielen kann, aber:

Who can forget classics like Antony and Cleopatra, Henry the Sixth part two and three, and Hamlet II: The Rest is Murder?

Genau.

Cliff Notes – A Faster Way to Play

Cliff Notes Play ist die Spielvariante, in der man ein Stück in ein oder zwei Stunden spielt. Auch hier scheinen die regeln funktional: Im wesentlichen hat jeder Spieler einen Charakter weniger, jeder framed nur eine Szene, und zwischen den Szenen wird erzählt, was sonst passiert. Dazu gibt es ein paar Beispielstücke, die derart abgekürzte Handlungen vorstellen.

Diese Spielart hat mich, ehrlich gesagt, überhaupt nicht angesprochen. Aber ich habe für mein Rollenspiel auch lieber mehr Zeit und käme wohl gar nicht auf den Gedanken, in zwei Stunden mal nebenher Rollenspiel zu spielen. Also: Geschmackssache. Das Prinzip scheint aber zu funktionieren und ich kann mir vorstellen, dass man damit Spaß haben kann.

Auf den Epilog gehe ich jetzt nicht im Detail ein. Wie einfgabs geschrieben, es gibt alle Tabellen zusammengefasst (alle fünf), die Charakterbögen für alle drei Spielvarianten, der Index und ein Quick Reference Sheet.QRS und Charakterbögen gibt es übrigens auch auf der Herstellerseite zum Download.

Fazit

Ich bin sehr angetan. Das Regelwerk ist locker geschrieben und gut strukturiert, so das schon das Lesen Spaß macht.

Natürlich enthält das Spiel keine Crunchy Bits. Im Wesentlichen sind nur Regeln enthalten, um die gemeinsame Erzählung in eine bestimmte Richtung zu lenken. Diese wenigen Regeln sind allerding gut durchdacht und greifen ineinander. Mit Spielern, die sich auf die Prämisse eines Shakespeare-Dramas einlassen, kann damit großes Kino passieren.

Natürlich kann ich noch nicht sagen, wie es sich letztlich spielt. Aber wie gesagt, das wird sich hoffentlich in zwei Wochen klären. Bis dahin empfehle ich das Spiel jedem, der Story Games mit viel Drama und viel Freiheit mag. Wer klassisches Rollenspiel mit Würfeln und Monstern anhängt, sollte dagegen um Forsooth! einen großen Bogen machen.

Aber ich bin nun mal eine Drama Queen, und jeder, der das ebenfalls von sich sagt, ist bei Forsooth! richtig.

6 Kommentare:

  1. Antworten
    1. Weil ich nur über Spiele schreiben möchte, die mir gut gefallen. Und bei denen bin ich dann eher begeistert, und nicht objektiv.

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    2. Ich finde Begeisterung gut. Unser Hobby braucht mehr Begeisterung ohne ins Fanboytum abzugleiten. Ich will lesen, was jemanden an einem Spiel gefällt und was nicht. Es gibt genug Reviews da draußen, die mir den Klappentext in neue Worte verpacken.

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    3. Das ist sicher richtig. Allerdings kenne ich mich. Ich neige zu unreflektierter Begeisterung und Fanboytum ;-)

      Aber die ein oder andere Review mag in Zukunft noch kommen. Mal sehen.

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    4. Ich bin dagegen überkritisch und neige zu Verissen.

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  2. Hey Boni,
    danke für den Begeisterungssturm. Ich hab's mir dann prompt auch zugelegt und bin - als alter Improtheater-Anhänger - sehr angetan. Das muss dringend mal testgespielt werden.
    Grüße, Henning

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