Samstag, 8. Dezember 2012

Bestandsaufnahme 2012 - Teil 2

Ich larpe seit November 1997, also dieses Jahr genau seit 15 Jahren. Mit dem Hobby verbinden mich viele Erinnerungen, Erlebnisse und Freundschaften. Aber seit etwa einem halben Jahr ist irgendwie die Luft raus.

In den letzten Jahren war ich schon nicht oft auf Cons. Meine Hochzeit war während des Zivildienstes, also 1999/2000, während dessen ich 16 oder 17 Veranstaltungen besucht habe. Seitdem sind es immer weniger geworden, bis ich zwischen 2008 und 2009 ein Jahr pausiert habe. Damals hat mir das gut getan, ich bin engagiert zurück gekommen. Aber mehr als zwei oder drei Cons im Jahr sind es seitdem trotzdem nicht geworden.

Dieses Jahr war für mich komplett larpfrei. Das „Avarische Ritterlager“ im Sommer musste ich absagen, weil meine mündliche Examensprüfung mit dem Termin kollidierte. Den zweiten Con, „Graue Lande“ im Oktober, habe ich abgesagt, weil ich einerseits zu viele Termine an den Wochenenden hatte, die mir wichtiger waren. Andererseits hatte ich aber auch schlicht keine Lust darauf.

Ich analysiere meine Einstellung zum Larp jetzt seit längerer Zeit. Aber ich habe immer noch kein Ergebnis gefunden, mit dem ich zufrieden bin. Wo hakt es?

Sicherlich liegt es mit daran, dass die Erfahrungen sich geändert haben. Wenn ich meinen ersten Abenteuercon objektiv Revue passieren lasse, war das Standardware, die in Teilen nicht einmal gut umgesetzt war. Trotzdem erinnere ich mich sehr gerne daran zurück, weil alles noch neu und aufregend war. Das dieses Gefühl nach 15 Jahren nicht mehr zu reproduzieren ist, ist mir klar.

Aber auch ohne diesen Anspruch schaffen es die meisten Cons nicht mehr, mich mitzureißen. Ich war nie ein großer Plotspieler, aber seit langer Zeit gehe ich Plots komplett aus dem Weg. Dadurch wird ein Con aber auch zu einem Grillwochenende mit Freunden, zu dem man sich komisch anzieht. Dafür muss ich nicht X Kilometer fahren und einen Conbeitrag plus Fahrtkosten und Verpflegung ausgeben.

Der dritte Punkt sind meine eigenen Ansprüche. Ich habe mich im Verlauf meiner Larpzeit in eine Richtung entwickelt, in der ich Minimalismus nicht mehr so richtig vertrage. Natürlich habe ich anfangs auch ein einfaches Hemd mit Lederhose und Wappenrock getragen. Aber solche Kostüme stören mich inzwischen. Ich habe recht früh damit angefangen, meine Kleidung selbst zu nähen und erwarte von meinen Mitspielern, das sie sich ebenfalls mühe in der Darstellung geben. Larp ist eben ein visuelles Hobby.

Diese Ansprüche grenzen mich allerdings auch ein. Inzwischen reagiere ich gelassener auf die Ausstattung anderer Spieler, oder versuche es jedenfalls. Aber die Art Spiel, die mir Spaß macht, und das so aussieht, dass ich mich nicht ärgere, finde ich nur auf wenigen Veranstaltungen. Meistens muss man dafür lange Wege in Kauf nehmen. Und am Ende sitzt man doch wieder nur mit der eigenen Gruppe im Lager.

Eine Möglichkeit, dieses Verhalten zu durchbrechen, wäre ein neuer Charakter, der mein eingefahrenes Spiel durchbricht. Statt historisch mit wenig bis keiner Fantasy, mal wieder ein reiner Abenteurer, mit dem ich Magie, Plots und Weltuntergängen nicht aus dem Weg gehen muss. Aber ich bin eigentlich nicht bereit, für ein neues Konzept meine Ansprüche an mein Kostüm zu verringern.

Und da sind wir bei Punkt 4, Kosten und Verhältnismäßigkeit. Ich habe in den letzten Wochen einen neuen Charakter geplant. Aber recht schnell war klar, dass ich allein für das Kostüm ca. 200 Euro allein für den Stoff ausgeben müsste. Da reden wir noch gar nicht von Kurzwaren wie Garn und so weiter, was erfahrungsgemäß auch immer ein ordentlicher Kostenpunkt ist. Ganz zu schweigen von anderer Ausrüstung, wie Schuhen und Waffen. Auch wenn ich die Ausrüstung zunächst improvisieren könnte, wäre mein Anspruch doch, mittelfristig alles passend beisammen zu haben.

Aber die Kosten stehen gefühlt in keinem Verhältnis zu meiner Aktivität. Angenommen, ich fahre auf drei Cons im Jahr. Davon fahre ich sicher mindestens auf zwei mit meiner Gruppe und meinem aktuellen Charakter, einfach der Leute wegen. Bleibt ein Con im Jahr für den neuen Charakter, zwei, wenn ich ganz große Lust bekomme.

Diese Verhältnismäßigkeit steht auch anderen Projekten im Weg. Mein Rittercharakter braucht neue Kleidung, eigentlich auch endlich eine passende Rüstung. Mein Hauptcharakter, ein spätmittelalterlicher Söldner, könnte auch die eine oder andere Überarbeitung gebrauchen. Obwohl es mir sehr viel Spaß macht, zu planen, zu basteln und zu nähen, scheue ich Kosten und Aufwand.

Organisation und Spielleitung

Ich bin Orga und Hintergrundschreiber unserer Larpgruppe. Wir organisieren Veranstaltungen und schreiben den Hintergrund immer weiter, damit unser „Land“ plausibel wirkt. Diese beiden Apspekte haben mich bisher immer sehr begeistert.

Die Organisation kann, je nach Planung und notwendigem Aufwand, richtig viel Zeit verschlingen. Aber bisher hat es sich immer gelohnt, wenn man die zufriedenen, oder sogar begeisterten, Spieler am Sonntag nach Hause fahren sieht. Geschichten in Gang zu setzen, zu sehen, was die Spieler daraus machen, und dazu ein möglichst dichtes Ambiente zu schaffen, dafür bin ich gerne SL.

Der Hintergrund unseres Landes ist größtenteils mein „Baby“. Beinahe der komplette verschriftliche Kanon ist von mir geschrieben worden. Natürlich sind auch viele Ideen und Anregungen andere Spieler eingeflossen, aber gefühlt ist das „meins“. Nach der investierten Zeit und Arbeit fällt es mir natürlich schwer, das zurück zu lassen. Vor allem, da ich noch viele Ideen habe, was noch in den Hintergrund gehört.

Allerdings steh nächstes Jahr für uns als Landesorga ein großer Schritt an. Nachdem wir personell umstrukturiert haben, soll 2013 ein Verein gegründet werden, um rechtliche und finanzielle Risiken bei der Veranstaltungsorganisation zu verringern. Ein logischer und sinnvoller Schritt. Aber sobald die Vereinsgründung durch ist, fiele mir ein Ausstieg noch schwerer. Und eigentlich fällt es mir schwer, mich in ein Projekt einzubringen, von dem ich nicht weiß, wie lange ich dabei bleibe.

Soziales

Natürlich hängen am Larp auch viele Freundschaften. Zu vielen sehr netten Menschen habe ich nur Kontakt, weil wir das Hobby teilen. Diverse Bekannte sehe ich nur auf unseren Veranstaltungen.

Aber die Menschen, die mir wichtig sind, werde ich auch weiterhin sehen. Man ist ja nicht plötzlich aus der Welt, nur weil man nicht mehr das gleiche Hobby hat.

Spielarten

Einer der wichtigsten Gründe, warum mich Larp derzeit nicht reizt, ist das „normale“ Rollenspiel. Die Möglichkeiten und der Aufwand sind am Tisch ganz andere, ganz zu schweigen von der möglichen Abwechslung.

Während man im Larp eben immer an das Machbare gebunden ist, sind die Möglichkeiten am Tisch grenzenlos. Mit viel Aufwand kann ein Larp ein nahezu perfektes Ambiente erschaffen, aber irgend etwas bleibt von der Realität abseits des Spiels immer erhalten. Ich will hier jetzt gar nicht von Immersion reden, aber ein gewisser Grad Suspension of disbelieve bleibt eben nötig. Und vieles ist im Larp überhaupt unmöglich. Sich auf Drachen reitend in riesige Schlachten zu stürzen, Gefechte zwischen Sternenschiffen, aber auch so mundane Dinge wie eine Verfolgungsjagd mit Autos in einer Großstadt.

Im Rollenspiel kann ich alles tun und erreichen, ohne das sich der Aufwand signifikant verändert. Ein Regelbuch kaufen und lesen, dass Abenteuer vorbereiten und Freund einladen. Fertig. Mehr braucht es nicht, ganz im Gegensatz zum Larp. Wenn ich will, kann ich jede Woche, jeden Tag, etwas neues spielen und ausprobieren, ohne das sich der Aufwand verändert.

Im Larp bin ich wesentlich unflexibler. Ohne Kostüm kein neues Setting oder Genre. Dazu brauche ich einen Veranstalter, der mir das anbietet, was ich gerade spielen möchte, oder ich muss das Gewünschte selbst als Orga umsetzen. Das bedeutet aber lange Vorlaufzeiten, höhere Kosten und mangelnde Flexibilität. Und auch wenn alles zusammen passt, beschränkt mich das Medium.

Ja, ich bin am Tisch glücklicher. Mit den Spielern einer Rollenspielrunde ist es wesentlich leichter, sich auf einen Spielstil zu einigen, der allen zusagt, als mit den 20 bis 150 Teilnehmern eines Larps. Allein das wertet mein Spielerlebnis signifikant auf.

Was bleibt also?

Am Larp stört mich derzeit alles, was abseits des Spiels passiert. Ich mag mich nicht um Anmeldungen und Planungen kümmern, ich möchte mich nicht mit langfristigen Organisationsfragen beschäftigen, und die Kosten stehen für mich in keinem Verhältnis zum tatsächlichen nutzen. Und wenn ich mir dieses Zwischenfazit ansehe, scheint die offensichtliche Konsequenz zu sein, dass ich aufhöre zu larpen.

Auf der anderen Seite stehen aber die nicht-logischen, emotionalen Gründe. Ich fühle mich verantwortlich für die Organisation unserer Gruppe und des Hintergrunds. Es gibt unzählige wunderbare Erinnerungen, die ich an das Erlebte habe, und auf deren Wiederholung ich hoffe. Nicht zuletzt verbinden mich viele Freundschaften mit dem Hobby.

Deswegen tue ich mich mit der Entscheidung sehr schwer. Wenn ich aufhöre, mache ich einen harten Schnitt, und verkaufe den Großteil meiner Ausrüstung. Aber damit brenne ich auch Brücken hinter mir ab, denn falls ich doch wieder Lust habe, ist die Einstiegshürde natürlich größer.

Hier stehe ich nun und weiß nicht weiter...

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